Leuchtturm 1
Als das alte Jahr zu Ende ging und das neue schon in greifbarer Nähe lag, habe ich mich gefragt, welche Personen bzw. welche Gruppen/Institutionen mich in den vergangenen Monaten besonders beeindruckt haben. Eingefallen sind mir einige, auf eine möchte ich hier genauer eingehen: auf die Stiftung Zurückgeben.
Gegründet 1994, von einem Kreis frauenbewegter Frauen rund um Hilde Schramm und Birgit Rommelspacher unterstützt die Stiftung Projekte von Künstlerinnen bzw. Wissenschaftlerinnen jüdischer Herkunft oder jüdischen Glaubens, die in Deutschland leben.
Zum historischen Hintergrund ist auf der Website zu lesen:
„Von der Entrechtung, Enteignung, Vertreibung und Ermordung der jüdischen Bürgerinnen und Bürger in Europa profitierten viele nichtjüdische Deutsche direkt oder indirekt. Diese Bereicherung wirkt weiter zum Vorteil der nächsten und übernächsten Generation. In vielen Familien wurde bis heute nicht darüber gesprochen. Wie kamen unsere Eltern, Großeltern und andere Verwandte zwischen 1933 und 1945 an ihr Grundstück, ihr Haus oder an ihre Wohnung, an ihre Möbel und Wertsachen, ihre Kunstwerke? Wem gehörten diese Dinge vorher? Wie wollen wir uns als Nachgeborene zu der biographischen Verstrickung vieler Familien verhalten, möglicherweise auch der eigenen?
Gab es direkte oder indirekte Formen der Bereicherung und Vorteilsnahme? Hat die eigene Familie von der Kriegswirtschaft profitiert? Wie kam es zu dem Besitz oder dem Vermögen, dessen Erbe oder Miterbin ich bin? Setzen wir nicht das Unrecht fort, wenn wir uns in einem solchen Erbe einrichten oder es unhinterfragt annehmen?“
Unbequeme und unangenehme Fragen, für deren Beantwortung man/frau möglicherweise tief in der eigenen Familiengeschichte stochern muss. Der damit einhergehende Prozess kann schmerzhaft sein – haben die eigenen Eltern oder Großeltern sich tatsächlich an Besitztümern bereichert, die vormals jüdischen Eigentümer_innen gehörten?
Die Stiftung Zurückgeben appelliert an unsere Verantwortung:
„Das Unrecht der Entrechtung und Beraubung und dessen Folgen für die Gegenwart sollten wir wahrnehmen. Wir – die Nachgeborenen – sind nicht schuldig an diesem Unrecht, das unsere Vorfahren begangen und geduldet haben. Aber wir können in der Auseinandersetzung mit den Verbrechen der NS-Zeit das Gefühl zulassen, den Nachkommen der kollektiv geschädigten Menschen etwas schuldig zu sein. Wir können uns verantwortlich verhalten durch die Förderung und Unterstützung jüdischen Lebens und jüdischer Kultur in Deutschland. Gerade die damals weit verbreitete und unspektakuläre Vorteilsnahme ist juristisch nicht zu fassen. Häufig sind die Geschädigten nicht bekannt. Die Stiftung bietet die Möglichkeit, unabhängig von Gesetzen und Fristen aus freien Stücken durch Spenden und Zustiftungen symbolisch zurück zu geben.“
Symbolisch etwas zurückgeben – dieser Gedanke berührt mich sehr.
Es wundert mich, dass die Stiftung nach wie vor nur sehr bescheiden fördern kann. Und dann wundert es mich auch wieder nicht. Es geht um die nationalsozialistische Schreckensherrschaft unseres Landes und um eine mögliche Verantwortung und Verstrickung unserer Vorfahren, ein wahrlich grauenvolles Thema also. Und doch: Gerade wir Nachkommen können doch etwas zurückgeben an die Nachkommen der Opfer – Verantwortung in Form von Zuwendung.
Wenn meine Gedanken euer Interesse geweckt haben: Hier findet ihr mehr Informationen.
Und falls ihr euch jetzt fragt, was dieses Thema mit Regenbogenfamilien zu tun hat: RFN blickt immer mal wieder über den Tellerrand – und außerdem: Alles hat mit allem zu tun.
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