Spannende Zeiten
Was für aufregende Tage liegen hinter uns! Erst das Urteil, dann die vielen TV- und Online-Berichte. Einen Tag später sind Regenbogenfamilien überall auf den ersten Seiten der wichtigsten Zeitungen zu sehen. Gesteigert wird diese Präsenz durch die zum Teil fast revolutionären Kommentare: Noch nie habe ich in der „Mainstream“-Presse so deutliche Zeilen gelesen: „Es wird langsam Zeit, dass die Regierung sich nicht jeden Schritt in Richtung Gleichberechtigung von Karlsruhe diktieren lässt, sondern endlich selbst handelt“ war zum Beispiel so ein Satz, den ich mehrfach gefunden habe und den ich sehr bedeutsam finde. Die Stimmung hat sich eindeutig gewandelt. Viele Menschen verstehen die Blockadehaltung der Union einfach nicht mehr und finden sie politisch schwer nachvollziehbar. Selbst innnerhalb der CDU/CSU- Fraktion wird nicht mehr nur hinter vorgehaltener Hand eindeutig Stellung bezogen. Damit ist klar, dass die Eheöffnung, das Adoptionsrecht und damit natürlich auch Regenbogenfamilien zum Wahlkampfthema werden. Spannende Aussichten.
An dieser Stelle ein persönlich-politisches Wort: Ich schreibe hier viel über die „Öffnung der Ehe“. Und dies nicht etwa, weil ich meine, dass diese Institution ein Allheilmittel für alle Ungerechtigkeiten dieser Welt ist. Nein, kritisch gesprochen ist die Ehe ein patriarchales Instrument, das eine heterosexuelle Zweisamkeit in eine bestimmte Struktur presst und es dafür ein paar Belohungen gibt. Für viele bedeutet sie aber neben potenzieller steuerlicher Vorteile und der Absicherung im Falle einer Familiengründung noch etwas anderes: Eine Entscheidung füreinander, auch nach außen.
Die Ehe, bisher ein staatliches Instrument heterosexistischer Prägung, geriet in ihren Grundfesten nie ins Wanken. Dies beginnt sich gerade zu ändern, denn wenn zwei Frauen oder zwei Männer heiraten, ist das sozialisationsbedingt und gesellschaftspolitisch etwas anderes, als wenn Frau und Mann die Ehe eingehen. Wie sich dadurch die gesellschaftliche Stimmung gegenüber einer Minderheit ändert, ist ein interessanter Prozess, den wir bereits im Zusammenhang mit der Einführung der eingetragenen Lebenspartnerschaft beobachten konnten. Wie oft habe ich in den letzten Jahren folgenden Satz gehört: „Durch die Eintragung bekam mein heterosexuelles Umfeld, also meine Familie und meine Arbeitskolleg_innen, plötzlich einen ganz anderen Bezug zu meiner Partnerschaft und damit zu meinem Leben insgesamt. Letzten Endes nehmen sie seither meine Beziehung viel ernster.“ Natürlich kann man diese Aussage kritisch sehen und sich fragen, wie wichtig die Anerkennung durch das Hetero-Umfeld ist. Gleichzeitig lässt sich aus diesen Worten auch ein Zusammenwachsen der verschiedenen Lebenswelten herauslesen, die begrüßenswert ist. Es lebt sich leichter in einer Atmosphäre der zugewandten Akzeptanz.
Wer heiraten will, soll das tun können. Ein Allheilmittel gegen Homophobie und Heterosexismus kann die Ehe nicht sein. Wohl aber ein weiterer Schritt zu gleichen Rechten für alle.
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