Schöne Welt
Manchmal träume ich von einer anderen Welt – eine Welt, in der sich Frauen und Mädchen frei und jederzeit sicher bewegen und entfalten können, in der sie, genau wie Männer und Jungs, einen breiten, gewaltfreien Verhaltens- und Handlungsspielraum haben und in der wir alle gerne in Frieden leben. Ach ja, und dann wäre da noch, dass alle Menschen so leben, wie sie es möchten, natürlich ohne jemanden zu schädigen. Beziehungs- und Familienformen gibt es unendlich viele und jedwede Kommunikation basiert auf gegenseitiger Wertschätzung. Und in der Politik wird leidenschaftlich und respektvoll debattiert und gemeinsam gelacht.
Wäre schön, sehr schön.
So lange dieser Traum noch nicht Wirklichkeit ist, bauen wir uns Inseln, auf denen wir versuchen, diese Wunschwelt zu leben. Da bilden sich Netzwerke, stadtteilbezogene Grüppchen und Gruppen, Stammtische, „Neigungsgruppen“ (wie z.B. die HikeDykes, die wandernden Lesben – der Begriff ‚Neigung‘ hat so etwas herrlich Altmodisches, vielleicht erinnert ihr euch, als Frau Schavan vor etlichen Jahren in der BILD auf der ersten Seite ihr Zwangsouting mit den Worten dementierte, sie hätte nicht die Fähigkeit und nicht die Neigung dazu, oder so ähnlich – nun ja, räusper) und jede Menge Austauschplattformen zu allen Fragen dieser Welt.
Deshalb ist mir der Austausch zum Alltag in Regenbogenfamilien nach wie vor lieb und teuer. Weil das ein Stück Welt ist, von der ich träume. Selbst wenn es immer wieder um Fragen der Familiengründung geht (das ist nun wirklich vorbei!) – es ist unschätzbar, dieses Gefühl, nicht allein zu sein und gleichzeitig immer mehr zu werden. Welche Entlastung! Manchmal empfand ich dieses Extrem-Pionierin-Sein auch extrem anstrengend. Jetzt, wo wir „nur noch“ Pionierinnen sind, ist es auch nur noch anstrengend.
Und schon träume ich fortgeschritten: von einer Welt, in der wir lesbischen, schwulen und trans Eltern einfach nur Eltern sein können, gute, weniger gute und auch mal schlechte. So wie die da draußen, die uns dauernd Druck machen, doppelt so gut sein zu müssen, um gleiche Rechte zu verdienen und die uns aber gleichzeitig genau diese absprechen.
Irgendwas ist an diesem Gedanken komisch: So sein wollen wie „die da draußen“. Ich will das doch gar nicht! Also geht es um das Thema Mehrheit/Minderheit und wer darin wie wahrgenommen und gesehen wird. Manchmal ist es sehr entspannend, zur Mehrheit zu gehören, nicht aufzufallen und trotzdem irgendwie gesehen zu werden, ohne dass man etwas tun muss. So steht hinter diesem abstrusen Wunsch einfach das menschliche Bedürfnis, als die gesehen zu werden, die man ist. Und das ist es, was Netzwerke so ungeheuer wichtig macht: Einmal nichts erklären zu müssen, möglicherweise über die gleichen Witze zu lachen und sich gegenseitig die Welt ein bisschen schöner zu machen.
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