Interview mit einer Regenbogenfamiliengroßmutter
Viele Mütter und Väter berichten, dass sich durch ihre Kinder ihr Verhältnis zu den eigenen Eltern verändert hätte. Oft kommt es zu einer größeren Nähe. Gerade Regenbogeneltern beschreiben, dass ihre Mütter und Väter nach Jahren der Funkstille oder nach einer „Zeit der Verwirrung“ wegen des Kinderwunsches sich einfach sehr über das Enkelkind freuen. Der „Gayby-Boom“ (der Babyboom unter Lesben und Schwulen) führt also auch dazu, dass es immer mehr Regenbogengroßeltern gibt. Einige von ihnen setzen sich ganz bewusst mit den Themen auseinander, die den Alltag ihrer Töchter, Söhne und Enkelkinder bestimmen.
Am Rande des soeben stattgefundenen Regenbogenfamilienseminars in Stuttgart hatte RFN die Gelegenheit, mit Frau Hirschmüller zu sprechen, die eine siebenjährige Enkelin mit zwei Mamas zu ihrer Familie zählt.
RFN: Frau Hirschmüller, bitte stellen Sie sich doch mal vor.
B.H.: Ich bin bald 74 Jahre alt, lebe in Stuttgart und bin als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin in eigener Praxis tätig. Aus diesem Grund interessiert es mich sehr, wie es den Kindern in Regenbogenfamilien geht.
Ich habe zwei Kinder, einen Sohn, der mit seiner Familie in Berlin lebt und eine Tochter, die mit ihrer Frau – ja, das kann ich mittlerweile sagen – hier in Stuttgart lebt. Die beiden haben seit sieben Jahren ein eigenes Kind, wobei meine Tochter die Bauchmutter ist, wie meine Enkelin mal sagte, und die Frau meiner Tochter die andere Mama. Der Samenspender ist bekannt, er kümmert sich auch um die Kleine, hat aber notariell auf seine Vaterrechte verzichtet und so konnte die Stiefkindadoption durchgeführt werden. Die drei sind freundschaftlich miteinander verbunden und der Vater selbst lebt auch mit einem Mann zusammen.
Mein Mann, mit dem ich seit 50 Jahren verheiratet bin, ist ein ganz engagierter Opa. Und wenn die beiden Mütter etwas vorhaben, dann geht er oft hin, weil ich abends doch ab und zu Gespräche habe.
RFN: Wie war das für Sie am Anfang, als Ihre Tochter Ihren Kinderwunsch äußerte?
B.H.: Ich wusste schon lange, dass meine Tochter sich ein Kind wünschte und hielt mit meiner Meinung zum Setting auch nicht hinterm Berg.
So sagte ich zu meiner Tochter: „Wenn du meine Meinung wissen willst: Nimm einen Mann, der für das Kind später greifbar ist.“ So ist es dann auch gekommen.
RFN: Wie ging es dann weiter für Sie?
B.H.: Das gestaltete sich alles sehr schwierig, denn meine Enkelin war eine Frühgeburt. Gleichzeitig hat diese schlimme Situation bewirkt, dass ich eine große Achtung gegenüber der Co-Mutter bekommen habe. Es war einfach sehr schön, wie präsent sie war, sich um meine Tochter und das Baby gekümmert hat, und ich habe gesehen, dass die beiden eine gute Partnerschaft leben. Für meine Enkelin war es schön, von Anfang an zwei Elternteile zu haben. Ich sehe das auch von meinem Beruf her, dass es gar nicht so wichtig ist, ob die Eltern nun ein Mann und eine Frau sind oder zwei Frauen – wichtig ist, dass es zwei sind. Wenn die sich gut verstehen, dann geht es dem Kind gut, auch bei zwei Männern oder zwei Frauen.
RFN: Was waren Ihre Beweggründe, das heutige Regenbogenfamilienseminar zu besuchen?
B.H.: Meine Tochter hatte mir schon mehrfach davon erzählt. Ich denke, dass ich einen Prozess hinter mir habe. Am Anfang wollte ich gar nicht, dass viele Menschen von dieser Situation etwas erfahren, nur meine engsten Freunde. Aber mit der Zeit habe ich gemerkt, wie gut das alles geht, wir waren auch ein paar Mal miteinander im Urlaub. So stieg mein Interesse. Mittlerweile ist auch im psychoanalytischen Bereich, wo ich herkomme, ein größeres Interesse an Regenbogenfamilien zu verzeichnen. Neulich gab es bei uns am Institut einen Vortrag darüber, und so habe ich meine Tochter gefragt, ob ich auch zum Seminar kommen dürfte. Sie hat sich sehr darüber gefreut und so bin ich da.
RFN: Was nehmen Sie von diesem Wochenende mit?
B.H.: Mich beeindruckt die gute Atmosphäre hier, und ich nehme viel mit. Die Vorträge waren sehr interessant und die Menschen sehr offen. Beim heutigen Vortrag zum Alltag wurde mir deutlich, dass noch Einiges zu tun ist. Diese neuen Familienformen gibt es aber jetzt, und es ist sehr wichtig, dies zu akzeptieren und zu sehen, dass Regenbogenfamilien eine Familienform sind, in der Kinder gut aufwachsen können.
RFN: Sie klingen ja schon fast wie eine Aktivistin für Regenbogenfamilien!
B.H.: (lacht) Nein, so schnell geht es dann doch nicht. Aber ich bin sehr aufgeschlossen und kann das Thema z.B. im Kollegenkreis ansprechen und von der Tagung berichten. Und wenn jemand auf eine komische Weise davon spricht, wüsste ich heute, mit welchen Worten ich darauf reagiere.
RFN: Frau Hirschmüller, herzlichen Dank für das Gespräch.
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