Besorgte lesbische Mutter
Eigentlich hätte gestern in München eine Kundgebung stattfinden sollen. Und gleichzeitig eine Gegendemo. Es ging, wie in letzter Zeit öfter, um Vielfalt der Lebensformen, Auflockerung starrer Geschlechterrollen und Ähnliches, wovon sich einige verunsicherte Menschen extrem bedroht fühlen und die nichts lieber hätten, als die staatliche Propagierung eines an die 50er Jahre erinnernden Lebensmodells. „Besorgte Eltern“ nannten sie sich.
Nun war im Vorfeld zum Glück der Protest gegen die evangelikalen und rechtspopulistischen Verlautbarungen so groß, dass die Veranstalter ihre Kundgebung absagten. Also alles gut?
Mitnichten. Ich bin eine besorgte lesbische Mutter, die sich fragt, wie lange diese rückwärts gewandten Bewegungen das gesellschaftliche Klima noch vergiften werden. Allein die Tatsache, dass es wieder möglich ist, einzelne Gruppen zu attackieren, falsche Behauptungen in die Welt zu setzen wie z.B. dass ein moderner, vielfältiger Lehrplan Frühsexualisierung bedeutet oder ein gewisser „Fast-schon-Zwang“ zur Homosexualität bestünde – alles Quatsch.
Zum Muttertag (und an allen anderen Tagen auch!) brauchen wir etwas ganz Anderes. Selbstverständlichkeit, Sichtbarkeit, Anerkennung. Freundlich zugewandtes Interesse, Solidarität auch von anderen gesellschaftlichen Gruppen, RESPEKT. Ist es nicht das, was sich alle Menschen wünschen?
Gestern haben meine BH und ich einen Dokumentarfilm (Ma Na Sapna – A Mother’s Dream) über Leihmutterschaft in Indien gesehen. Die Regisseurin Valerie Gudenus begleitete mehrere Frauen während der verschiedenen Phasen – Einsetzen der Embryos, Verlauf der Schwangerschaft, Geburt, Übergabe der Babies. Der Film ließ mich aufgewühlt und gleichzeitig ratlos zurück. Es gibt so viele Perspektiven auf das Thema. In diesem Film kamen die Leihmütter, die auf eine bessere Zukunft für ihre Kinder hoffen, und die Ärztin, die von den Frauen als Retterin verehrt wird, zu Wort.
Und dann gibt es die verzweifelten (in diesem Fall heterosexuellen) Paare mit unerfülltem Kinderwunsch, für die Leihmutterschaft eine Möglichkeit bietet, den Wunsch nach einem Kind doch noch zu erfüllen. Um die ging es in der Dokumentation nicht. Im Mittelpunkt standen die Frauen, die für die Hoffnung auf eine bessere Zukunft erhebliche Strapazen auf sich nehmen. Wie ist das mit dem RESPEKT in diesem Zusammenhang, wenn ein starkes Machtgefälle zwischen den beteiligten Parteien besteht? Wird jede heterosexuelle Familie, die durch Leihmutterschaft entstanden ist, die Frau, die ihnen dieses Glück ermöglicht hat, wertschätzen und in einer respektvollen Form in die Familie integrieren?
Männerpaare lehnt die Ärztin übrigens ab.
Muttertag? Ich denke heute nach. Und dann wünsche ich mir einen kleinen Familienausflug, bei dem mir der Wind ein leises „Sei unbesorgt“ ins Ohr flüstert.
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