Nach fast 20 Jahren endlich Adoption geglückt!
Die Psychotherapuetin Petra* (58) hat 1994 mit ihrer Partnerin S. ein 14 Monate altes Mädchen aus Brasilien adoptiert. Die rechtliche Mutter war allerdings stets ihre Partnerin, denn die Stiefkindadoption war bis vor einiger Zeit nur bei leiblichen Kindern möglich. Petra lebte ihr Muttersein im rechtlosen Raum. Wie die ganze Geschichte nun juristisch doch noch ein gutes Ende nahm, erzählt sie im Gespräch mit RFN.
RFN: Petra, du hast mit deiner Partnerin ein Mädchen aus Brasilien adoptiert. Wie war das damals?
Petra: Alles begann 1992. Wir, meine Partnerin und ich, durchliefen den Prozess, um als Adoptiveltern in den sogenannten Belegpool aufgenommen zu werden. Das Jugendamt erstellte eine Homestudy. Allerdings stellte sich bald heraus, dass wir in Deutschland wohl kein Kind vermittelt bekommen würden. So recherchierten wir das Thema Auslandsadoption. Bald erfuhren wir durch eine befreundete Familie, dass Brasilien eine Option sein könnte. Mit Hilfe unserer Anwältin bewarben wir uns bei einem damals noch international tätigen Verein. Erstmal passierte nichts. Eine Recherche unserer Anwältin ergab, dass in der Homestudy, die wir Wort für Wort übersetzt hatten, zu viel über unsere Beziehung stand. Wir brauchten dann für Brasilien eine „abgeschwächte“ Homestudy, aus der nicht mehr unbedingt hervorging, dass wir ein Paar sind. In Brasilien war es zwar damals auch schon okay, als lesbisches Paar zu leben und auch ein Kind zu adoptieren, aber es hing vom Richter ab, ob die Adoption genehmigt wird oder nicht. Das war uns zu unsicher. Offiziell war ich dann die Schwägerin.
Nach einiger Wartezeit bekamen wir endlich eine Nachricht. Für ein 14 Monate altes Mädchen, das zur Adoption frei gegeben war, hatten die Behörden noch keine Eltern gefunden. Im September 1994 flogen wir nach Brasilien. Unsere Tochter Antonia wurde uns bereits am ersten Tag vorgestellt. Fast zwei Monate verbrachten wir drei gemeinsam in Brasilien, bis alle Formalitäten erledigt waren. Auch mit der leiblichen Mutter hatten wir eine Begegnung. Wieder zurück in Deutschland konnte dann nur eine von uns Antonia adoptieren.
RFN: Wie habt ihr denn entscheiden, wer die rechtliche Mutter wird?
Petra: Das mussten wir schon gleich zu Beginn festlegen und haben dann nach Alter entschieden. Meine Partnerin war damals 33, und ich war 36. Nachdem wir davon ausgingen, dass wir möglicherweise in einiger Zeit noch ein jüngeres Kind adoptieren wollten und das Prozedere sich doch ganz schön hinzog, entschieden wir, dass die jüngere von uns die rechtliche Mutter sein sollte, um einen möglichst großen zeitlichen Spielraum zu haben.
RFN: Ist dir das schwergefallen?
Petra: Ja, klar, wir wollten gerne beide voll adoptieren. Das war kein schönes Gefühl, im Falle eines Falles null Rechte zu haben. Ich hatte zwar volles Vertrauen zu meiner Partnerin, aber trotzdem war es schwierig. Damals gab es ja nur die Möglichkeit, für alle Eventualitäten komplizierte Verträge aufzusetzen.
RFN: Hat denn eure Eintragung etwas an diesem Gefühl verändert? Immerhin tritt ja dann wenigstens das so genannte kleine Sorgerecht für Alltagsfragen in Kraft.
Petra: Nein, das hat eigentlich gar nichts verändert. Ich fand es einfach total ungerecht, dass leibliche und adoptierte Kinder unterschiedlich behandelt wurden. Wir konnten ja keine Stiefkindadoption durchführen, weil Antonia kein leibliches Kind ist.
Und dann gab es endlich die Verfassungsklage, an der wir uns übrigens auch beteiligt haben. Als die Sache durch war, habe ich mich schon sehr gefreut. Es hat mich ungeheuer beruhigt, dass ich nun meine emotionale Situation endlich auch rechtlich anpassen konnte.
RFN: Wie war die Situation im Gericht?
Petra: Wir waren in einem kleinen Familiengericht in Hamburg, die Richterin war sehr nett. Nachdem sie sich durch all unsere Papiere gearbeitet hatte, realisierte sie ganz erstaunt, dass sie uns ja nun gar keine Fragen mehr stellen müsste, weil wir ja von Anfang an zusammengelebt und Antonia gemeinsam adoptiert hatten. Man merkte richtig, dass die Richterin ein Weilchen brauchte, um nachzuvollziehen, wie absurd das Ganze eigentlich war. Sie ging sehr wertschätzend mit uns um, interessierte sich wirklich für unsere Geschichte und freute sich über die Konstanz unserer Familie.
Danach waren wir noch schön essen und haben auf die endlich vollzogene Adoption kurz vor Antonias 21. Geburtstag angestoßen.
RFN: Was sagte denn Antonia dazu?
Petra: Antonia war erstaunt darüber, dass wir nicht schon die ganze Zeit beide ihre rechtlichen Eltern waren. Für sie war die Adoption eine Selbstverständlichkeit. Wir waren ja immer ihre Mütter, und es gab für sie keinen Unterschied zwischen uns, obwohl nur eine die rechtliche Mutter war.
RFN: Gab es in den vergangenen 20 Jahren auch mal Situationen, in denen es für dich schwierig war, nicht Antonias rechtliche Mutter gewesen zu sein?
Petra: Ja, ich habe mir manchmal vorgestellt, wie die Erbschaftssituation wäre, wenn meine Partnerin S. vor mir sterben würde. Ich war ja doch rechtlich eine Fremde für Antonia. Es gab immer wieder offizielle Anlässe, in denen S. schon per Nachname die Mutter war und ich mich mehr erklären musste. Da war es sehr ärgerlich, de facto Mutter zu sein und auch so zu empfinden, ohne dass sich das formal widerspiegelte.
RFN: Ihr habt ja noch ein 14 jähriges Pflegekind, Lotti. Ist da die Situation anders, weil ihr von Anfang an gemeinsam Pflegeeltern wart?
Petra: Ja, in gewisser Hinsicht war das manchmal einfacher. Allerdings habe ich mich in meinem Muttersein sowieso hauptsächlich auf die emotionale Seite konzentriert, weil in meinem Fall damit von Anfang an eine gewisse Rechtlosigkeit einher ging. Bei Lotti gibt es noch die Herkunftsfamilie, die uns jedoch de facto vollständige Entscheidungsbefugnisse überlassen hat.
RFN: Du hast dich also über die Jahre mit der unbefriedigenden Situation arrangiert.
Petra: Ja, es blieb mir auch nichts anderes übrig. Ich habe mich darin geübt, den Wert meines Mutterseins nicht an irgendwelche Rechte zu knüpfen. Sich als eine Familie zu fühlen, obwohl die eine Mutter auch die rechtliche Mutter ist und die andere nicht, wurde sicher dadurch erschwert. Hinzu kommt, dass wir von außen auch nicht unbedingt selbstverständlich als Familie angesehen werden. In diesem Zusammenhang sind gleiche Rechte natürlich extrem wichtig. Von daher fühlt sich das jetzt schon ganz anders an. Toll, dass wir dieses Hindernis nun endlich überwunden haben.
RFN: Lebt Antonia noch zu Hause?
Petra: (lacht) Nein, Antonia studiert schon seit fast zwei Jahren in Süddeutschland. Wir haben viel Kontakt, und das genießen wir sehr.
RFN: Vielen Dank für das Gespräch und herzlichen Glückwunsch!
*Name geändert
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