BGH: Kinder haben das Recht auf Vaterschaftsauskunft
Der Karlsruher Bundesgerichtshof hat entschieden, dass Kinder grundsätzlich ein Recht auf Kenntnis ihrer Herkunft haben – und zwar unabhängig davon, wie alt sie sind. Bisher sieht die Regelung vor, dass sie das 18. bzw. das 16. Lebensjahr vollendet haben müssen. Geklagt hatten zwei nun 12 und 17 Jahre alte Mädchen, die von ihren Eltern vor Gericht vertreten waren. Den Eltern ging es darum, selbst entscheiden zu können, wann und wie sie ihre Kinder über ihre Herkunft informieren. Mit diesem Urteil können Eltern bereits nach der Geburt des Kindes die Daten des Spenders von der Klinik erfahren.
Allerdings sind weitere Fragezeichen in diesem Themenbereich nicht geklärt. Nach wie vor ist der Spender nicht zu 100 Prozent vor Unterhaltsansprüchen geschützt. In einem verheirateten Hetero-Setting ist automatisch der Ehemann der Mutter (also der soziale Vater) der rechtliche Vater. Diese rechtliche Vaterschaft kann das Kind anfechten, den Spender zum Unterhalt heranziehen und Erbansprüche durchsetzen – eine absurde Situation. Das wäre so, als ob man sich von Adoptiveltern freisprechen könnte, so bald man seine biologischen Eltern aufgespürt hat – undenkbar!
Ähnlich schwierig verhält es sich bei lesbischen Eltern, wenn die Stiefkindadoption nicht durchgeführt wurde und die Beziehung zwischen den Müttern endet. Der Spender könnte möglicherweise viele Jahre unterhaltspflichtig sein, wenn die biologische Mutter die Vaterschaft feststellen lässt.
Grundsätzlich ist es begrüßenswert, wenn die Eltern entscheiden können, wann das Kind, das durch eine Samenspende entstanden ist, eine Möglichkeit hat, über seine Herkunft etwas zu erfahren, und zwar nicht erst dann, wenn es erwachsen ist. Allerdings haben die Eltern immer die Verantwortung, ihr Kind von Anfang an aufzuklären. Das Urteil verändert daran nichts. Denn es sind die heterosexuellen Eltern, die aus Scham und leider immer noch bestehenden Tabus (Unfruchtbarkeit, „künstliche“ Befruchtung, Angst vor Störung des Familiengleichgewichts etc.) ihren Kindern eine wichtige Information zu ihrer Identität verschweigen – und damit das Thema zu einem wirklichen Problem machen. Das Problem dabei ist nicht primär die Tatsache, dass der vermeintliche Vater gar nicht der biologische Vater ist, sondern dass sich die Kinder hintergangen und belogen fühlen. Gerechterweise muss in diesem Zusammenhang gesagt werden, dass es für das Schweigen auch historische Gründe gibt: Nur absolute Anonymität konnte den Spender schützen und so lange es keine gesetzlichen Regelungen hierfür gibt, gilt dies auch noch heute.
Bei lesbischen Familien droht die Gefahr des Verschweigens gar nicht. Aufklärung ist allein aus biologischen Gründen hier selbstverständlich.
Die Spender sind mit der aktuellen Gerichtsentscheidung sicher nicht glücklich. Denn mit der Regelung, dass die von ihnen gezeugten Kinder erst mit dem 18. Lebensjahr Kenntnis über die Identität bekommen sollten, sicherte ihnen zumindest einen gewissen Schutz vor möglichen Unterhaltsverpflichtungen zu. Diese Sicherheit ist nun dahin und wird viele potenzielle Spender davon abhalten, einer Samenbank ihre Dienste zur Verfügung zu stellen.
Weitere rechtliche Regelungen sind also dringend erforderlich. Kinder aus lesbischen Familien sollten mit der Geburt das rechtliche Kind beider Mütter sein und Samenspender brauchen eine Freistellung aller Verpflichtungen. Es wird Zeit, dass die Bundesregierung handelt. Das hat sie zumindest schon begriffen – die Frage ist nur, wie lange dies dauert.
Die Karlsruher Gerichtshof-Entscheidung: Weitere Informationen
Vielfältige Aspekte zum Thema hat RFN bereits in der Dokumentation des im November 2013 stattgefundenen Kongresses „Familienbildung durch Samenspende“ veröffentlicht.
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